Schwanger mit Cardi B

Die Inszenierung der eigenen Schwangerschaft hat Hochkonjunktur. Eigentlich hatte Demi Moor bereits 1991 damit angefangen: Auf dem Cover der Vanity Fair nackt und mit großer Babykugel abgelichtet, sorgte sie damals für einen Skandal. Beyoncé trieb diese Darstellung 2017 auf die Spitze: in einem türkisfarbenen Gazetraum mit Marienhintergrund. Statt Kritik hagelte es Likes und viele Nachfolger.

Der schwangere Körper gilt als grotesk oder sogar obszön. Das kann man einerseits an seinem langen Fehlen in der Kunstgeschichte ablesen oder auch einfach an den vielen kuriosen Blicken auf der Straße. Ich bin nun im neunten Monat schwanger und schiebe eine recht große Kugel vor mir her. Man kann sie nicht nicht sehen. Und so schweifen verunsicherte Blicke von Gleichaltrigen über sie, wie über das Fehlen eines Körperteils. Kinder starren mit offenem Mund, so wie sie alles bestaunen, was ihnen nicht alltäglich unterkommt. Nur alte Menschen blicken entweder gleichgültig oder einfach nur erfreut auf dieses Etwas-Mehr. Erspart geblieben ist mir bisher der berüchtigte „Bauchgrapscher“, wie ihn vor allem feministische Autorinnen oder auch Kolleginnen an der Universität beschreiben. 

Eine der wenigen schwangeren Marien-Darstellungen

Der schwangere Bauch ist immer noch kein normaler Anblick geworden (besonders in der Wissenschaft nicht!). Und das kann schwerlich allein an den immer niedriger werdenden Geburtenraten in unseren westlichen Wohlstandsländern liegen. 

Was ist es, dass diese Auswölbung nach vorne so ungewöhnlich erscheinen lässt?

Erstmal scheint es ein biologisches Phänomen: Tatsächlich gibt es zum rapiden Wachstum des Kindes und der Gebärmutter kaum Vergleichbares in der Natur. Wie ich in meinem letzten Artikel bemerkt habe, hat dieser Vorgang seine eigene Zeit und seinen eigenen Raum. Die Gebärmutter dehnt sich von Tennisball- in Zuckermelonengröße aus. Der Körper des Embryos vertausendfacht sich. In meinem Stadium sind schon deutlich boxende Hände und Füße auf der Oberfläche zu sehen. Wie ein Vulkan brodeln immer wieder schwingende Bewegungen auf, der Nabel wird nach links oder rechts gedehnt und der Bauch ist plötzlich keine Kugel mehr, sondern ein zweihöckriges Kamel, wenn der Kleine seinen Po oder Kopf nach außen reckt. Bauch und Bauchinhalt sprengen in wahrstem Sinne alle Maße.

Genau das macht den Bauch auch ästhetisch so obszön: Er ist nicht nur übergroß, sondern auf gewisse Weise formlos. Obwohl wir alle die Kugel vor Augen haben, ist seine Gestalt ebenso wie sein Inhalt etwas Lebendiges, sich ständig Veränderndes, das sich nicht fassen lässt. 

Das sieht man natürlich auf den Bildern von Beyoncé oder auch Demi nicht. Zusammen mit den Kardashians, Britney oder Serena Williams präsentieren sie ihre wohlgeformten Bauchbälle, mit allerhöchstens nach außen gewölbtem Nabel. Allein die GALA zeigt 178 (!) Promi-Damen, die „ganz schön rund und wunderschön“ ihren Bauch inszenieren. Alles aus dem Jahr 2021. 

Wenige sind allerdings so aufwendig inszeniert wie Beyoncé, die mit ihrem Marienbild, in altbackenem Büstenhalter und seltsamer Batikunterhose, eine ganze Bandbreite an Weiblichkeitsdarstellungen subvertiert. Frau ist hier Natur, aber auch Trash. Die weiße Maria ist eine schwarze Schönheit mit roten Lippen. Statt unbefleckter Empfängnis präsentiert sich ein durch die Dessous deutlich sexualisierte Körper. In seinem großen Bauch wuchert der in ihn gespritzte Samen. 

Ich glaube deswegen ist der schwangere Körper vor allem so pikant: Er zeigt, dass eine Frau Sex hatte. Besonders in der körperlosen Wissenschaft ist das noch ein Skandalon. Jede schwangere Professorin hat – auch für mich – etwas Seltsames. 

Im Pop wird diese Sexualität dagegen verkaufsfertig ausgestellt. Nach dem beinahe keuschen Marienbild Beyoncés folgt ein Auftritt bei den Grammys als halbnackte ägyptische Sonnenkönigin (auch wenn diese wieder in ein Marien- und sogar Tafelbild mutiert). Später präsentiert sie sich als tropische Fruchtbarkeitsgöttin oder einfach nur nackte Schönheit. Womanhood und vor allem Black Womanhood wird als Zentrum des Lebens inszeniert, als Höhepunkt des Begehrens. 

Doch was hier neben all den postkolonialen und feministischen Strategien deutlich wird, sind, wie Daniel Hornuff es für die Kulturgeschichte der Schwangerschaft beschreibt, vor allem „die enormen Designanstrengungen, die das Schwangerschaftsthema heute prägen und es teilweise sogar dominieren.“ 

Diese Ausstellungswut geht so weit, dass man eigentlich gar nicht schwanger ist, solange man es nicht gepostet hat. Frauen – auch aus meinem Bekanntenkreis – halten nicht mal die oft geheim gehaltenen, da prekären 16 Wochen ohne Babybauch-Post aus. Und Stars auf dem absteigenden Ast begeben sich in eine Art ‚Dauerschwangerschaft‘, um stets was bei Instragram vorzuzeigen zu haben. So zum Beispiel die vierfache Mutter Tori Spelling oder die Surferin Janni Hönscheid, die mit ihren „permanent celebrignancies“ (Hornuff) auch frühere Drogenexzesse und psychische Krisen in der Öffentlichkeit verarbeiten. Diese ist vor dem Anblick der werdenden Mamis offenbar ganz mild gestimmt und verzeiht kollektiv jeden früheren Ausrutscher – Hauptsache man reproduziert sich.

Ihnen schließt sich aktuell Marie Nasemann an, die mit der zweiten Schwangerschaft ebenfalls das Ziel des Celebrignancies-Familienunternehmens verfolgt, inklusive Podcast mit Ehemann. Nasemann schlachtet ihre anderen Umstände wie keine zweite Deutsche medienwirksam aus, allerdings ganz zuckersüß und nachhaltig, ohne die Nacktheit oder Sonnenkrone von Beyónce. Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille: Während Nasemann mit ihrem Feenstaub Natürlichkeit und Lebensnähe suggeriert, hält Beyónce mit ihrer bis ins Details geplanten Ästhetik zwar auf Abstand, doch beide machen den Sog der welthaltigen Babykugel geltend. Beide verdecken ihr topmodeliges und überpriviligiertes Dasein zugunsten eines scheinbaren Kampfes für die Rechte der Frau, der Schwarzen und/oder der Umweltbewegung. Letztlich mutiert der Bauch aber zum rein ökonomischen Spielball. 

Meine Lieblings-Celebrity-Schwangere ist deswegen Cardi B.

Mit ihrer wesentlich drastischeren Selbstinszenierung als die ihrer Popkollegin Beyoncé macht die Rapperin keinen Hehl aus den Zusammenhang von Pregnancy und Porno, Mutterschaft und Wirtschaft. Kein Marien- oder Folklorekleid verhüllt ihren Sex, sondern der ganze weibliche Prachtkörper wird selbst auf der Geburtstagsparty der dreijährigen Tochter in Latex gehüllt, das den größten Teil des Busens freilässt. 

Auch wenn dies ein Prinzessinnenkleid darstellen soll und sicherlich eine weitere postkoloniale Strategie ist, diesmal nicht die Kunstgeschichte, sondern Disney-Whiteness zu konterkarieren, hat Cardi B offensichtlich vor allem eins: Bock auf Party – und Money.

„I like boardin’ jets, I like mornin’ sex (woo!)

But nothing in this world that I like more than checks (money)

All I really wanna see is the (money)

I don’t really need the D, I need the (money)“

Nachdem ihre Dreijährige also Kutschfahrten und teure Geschenke bekommen hat, sehen wir nur noch ihre twerkende Mutter, die sich am späteren Abend in einem rosa Minikleid an dem Glied ihre Ehemanns rubbelt und dazu (alkoholfreie?) Cocktails trinkt. 

Das kann man natürlich ebenfalls als feministischen Akt sehen. Auch hier dient die Ausstellung des hochschwangeren Körpers einer jedenfalls an der Oberfläche autonomen, lustvollen Offenbarung des jahrhundertelang versteckten Zustands. Doch mir scheinen diese exzessiv ausgestellten Schwangerschaften vor allem einer Logik zu folgen: Sex sells. Und was ist sexier als eine offenbar äußerst fruchtbare Frau?

Man könnte sogar soweit gehen: Schwangere sind nicht einfach sexy, sie sind Sex. Und deswegen auch lange Zeit ein so großes Skandalon. In unserer heutigen übersexualisierten Welt scheinen sie dagegen besonders im Bereich des Pop eine willkommene Abwechslung zwischen all den flach trainierten Bäuchen, Beinen und Pobacken zu sein. 

Statt Tabu nun also Fetisch?

Wenn man sich die Latexgewänder, S-M-Disney-Ästhetiken oder einfach nur pure Nacktheit Cardi B’s anschaut, könnte hier ein ganz neues Genre entstehen. Ich bin gespannt, wieviel ‚private‘ Einblicke wir noch erhalten. Das nächste Mal sind wir vielleicht bei der Entstehung dabei – auch bei Naseweiß.

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